Die Erlaubnis zum aktiven Ausruhen
Aktives Ausruhen erscheint schon fast als Widerspruch in sich selbst.
Was denn nun? Aktiv sein? Oder doch lieber erst eine halbe Stunde Mittagsschlaf machen?
Ich möchte Dich, lieber Leser, zum aktiven Ausruhen animieren.
Aktives Ausruhen gibt dir die Möglichkeit, sich mit dir bewusst in Einklang zu bringen und Kraft für den erschöpfenden Alltag dort draussen, dem wir uns nicht entziehen können, zu gewinnen. Ich meine mit diesem Ausdruck, dass ich mir AKTIV wach und lebendig erlaube, Nichts zu tun. Schon das kleine Wort aktiv impliziert in uns automatisch, dass wir nun gleich etwas tun und machen müssen. Meine Patienten reagieren beim Ausdruck “aktives Ausruhen” zunächst immer gleich und denken sofort an aktives Spazieren, Gartenarbeit oder working. Nein, mein “Aktiv” heißt , dass hierbei die einzige Tätigkeit ist, mir aktiv die Erlaubnis zu geben, auszuruhen.
Die eigene Berechtigung und Einwilligung zum Ausruhen beinhaltet, dass ich nicht nebenbei oder nachher ein schlechtes Gewissen habe. Noch nicht einmal Achtsamkeit oder schlafen müssen ist angesagt, sondern meine eigene Zeit jetzt absichtlich zum entspannen und pausieren für mich zu benutzen. Genauso, wie ich es im Moment für richtig erachte und brauche. Der wirklich erholsame Aspekt ist dabei, dass ich mir wirklich das Recht zum nichts tun müssen gebe und mir irgendwelche Gewissensbisse verbiete. Beispiele aus meinem Alltag: Frau Holle wäre enttäuscht von mir. Ich sitze regungslos am Küchentisch, die Spülmaschine ist fertig und könnte ausgeräumt werden. Aber ich bleibe regungslos einfach sitzen. Die Kinder sind im Bett, keines mault, Stille, nichts soll beachtet und gelobt werden. Keine Fragen, kein Essen machen, keiner diskutiert über Fernsehprogramme. Herrliche Ruhe. Gleichzeitig habe ich ein schlechtes Gewissen, denn was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf Morgen, so haben wir es gelernt. Genau hier dürfen wir uns die aktive Erlaubnis geben, eine Zeit zum Ausruhen zu benutzen. Was du heute kannst ausruhen, das verschiebe nicht auf morgen.
Auch abspannen und verschnaufen ist eine Gesundheitsvorsorge, ein Bedürfnis unseres Körpers und Kopfes. In der heutigen Zeit, sind wir permanent unter Auswahlstress. Du kennst vielleicht die netten Wahloptionen beim Bäcker: Kunde:„Ein Brot bitte.“ Bäcker:„Ja, Dinkel, Vollkorn, Roggen, Weizen, was hätten Sie gerne?“ Kunde: “Brot, ja mhh, schnell ein Roggenmischbrot. Bäcker: „Klein oder groß? Geschnitten oder ungeschnitten? Bemehlt oder glänzend?“ Kunden: Einfach nur ein Brot denke ich – ich habe 8 Stunden Arbeit hinter mir und ich habe Hunger. Auch die Kinder möchten sicher Süßes, aber was? Also einfach Berliner. Bäcker:„Gefüllt oder ungefüllt?“Mit welcher Füllung, heute Vanille? Im Angebot sind gerade 5 Stück zusammen. Ich hätte große Lust zu sagen: “Wie früher! Berliner mit Marmelade gefüllt.” Das ist doch der Witz dabei! Und ich habe jetzt keine Lust zum Auswählen. Eben dieser Auswahl-und Sortierzwang in der Grenzenlosigkeit macht unseren Körper müde. Natürlich können wir stolz unseren Luxus geniessen, für unseren Steinzeitkörper aber, bringt der tägliche Überfluss ein Fass zum Überlaufen.
Noch ein Beispiel: Eigentlich müsste ich dringend noch ein Telefon kaufen. Meines stottert, warum auch immer?! Für mein Dafürhalten ist das eine Energiesache, die mit meinem Befinden in Resonanz steht. Darauf komme ich noch später zurück, nur soviel, wir haben eine Ausstrahlung, die wir bisher noch grobschlächtig unterschätzen. Der Gedanke, ein Telefon zu kaufen und das auch noch wie immer in Eile, lässt mich mit allen Fasern meines Körpers stocken. Welche Firma, welche Programme und was die denn alles können heutzutage. Der junge dynamische Verkäufer, unglaublich freundlich, aber doch mit dem mitleidigen Blick, der da sagt: Na ob die Alte das wohl verstehen wird? Da machen wir mal ganz langsam. Oder ….An einem Mittwoch wollte ich noch schnell nachsehen, was im Reisebüro angeboten wird.
Als Alleinerziehende bin ich etwas eingeschränkt mit 2 Kindern. Ok, die Idee war wohl unüberlegt, denn früher ohne Kinder buchte ich ausschließlich Last Minute, was die Auswahl erheblich erleichterte. Vorher ergatterte noch fix Bioschlappen im Angebot. Der Reisebürobesitzer beriet mich halbherzig. Mein Sohn saß ungeduldig neben mir. Als ich aus dem Touristik-Center zum Auto ging, fiel mir auf, dass ich 2 verschiedene Schuhe anhatte. Einen Neuen und einen Alten. Beide waren wohl gleich bequem. Mein Sohn war wirklich peinlich berührt, dass ich so laut auf der Straße über mich selbst lachen konnte und drängte mich doch schnell ins Auto einzusteigen. Ehrlich gesagt als Reisebüroverkäufer hätte ich gesagt: „Gute Frau, Sie haben Urlaub dringend nötig. Für Sie habe ich da was ganz Besonderes.“ Ich wäre eine dankbare Kundin gewesen. So aber habe ich vier Kataloge im Gepäck. Ich verschiebe die Auswahl mit der Hoffnung, ich hätte dann irgendwann mal mehr Zeit mich mit dem ganzen Thema zu befassen.
Mein Selbstvertrauen leidet, mein Körper fühlt sich schwach und gestresst. Interessanterweise reagieren bei allen Dingen alle Zellen des Körpers mit. Jede Zelle hört, fühlt mit uns, ist froh oder genervt. Oder manchmal auch aufgeregt. Wir kennen den Ausspruch “da bebt der ganze Körper”. Er bebt nicht nur, er fühlt alles mit. Er hört alles mit. Gespräche, Einkäufe, leichte oder weniger erfreuliche Diskussionen. Dein Körper hört, was du sagst. Sehen wir uns das Lachen an. Ich höre oder sehe eine lustige Begebenheit und muss sofort lachen. Ich kann es auch nicht unterdrücken. Das hat jeder von uns schon versuchen müssen. Unterdrücke dein Lachen in einer peinlichen Situation wird das immer schräg. Glücklicherweise hat das Lachen die Pharmaindustrie noch nicht zum Symptom erklärt. In der Freude sehen wir doch, hoffentlich mehrfach täglich, dass der Körper sofort reagiert. Weinen, Hand wegziehen, wenn es heiss oder gefährlich ist, beim Stolpern ausbalancieren, Mitgefühl in traurigen Situationen, Freude, Mut, Stolz, Glück, Neid-alles sind Körperreaktionen, die sofort in einer Situation eintreten. Warum in aller Welt hat die Menschheit erklärt, dass sogenannte Funktionsausfälle von Organen oder Körperteilen NICHT eine Reaktion des Körpers auf eine Situation ist, sondern Krankheit genannt wird?
Vor über Tausend Jahren begannen die Mediziner, Tote zu sezieren. Grandioses Wissen wurde damit gesammelt, Erklärungen gefunden. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass es seit damals nicht wirklich vorwärts geht. Bis jetzt- und gerade jetzt wird der Körper in Fachgebiete unterteilt. Das Gesamtsystem wird strikt ausgeklammert. Stellen wir einfach einmal fest: Wir sind für diese Zeit evolutionär einfach noch nicht ganz angepasst. Wie eingangs beschrieben war vor 4 Generationen der Lebensrhythmus noch ein vollkommen anderer.
Es ist ein Irrglaube, wenn wir annehmen, dass wir nach Tausenden Jahren der Entwicklung und des Menschwerdens, Schritt halten können mit der gesellschaftlichen und technischen Beschleunigung um uns herum. Schon immer mussten sich Menschen heranhalten und auch schwer arbeiten, um Nahrung und Behausung in ausreichender Fülle zusammen zu bekommen. Jetzt aber wird durch die maschinelle und hochtechnische Unterstützung durch Maschinen die Machbarkeit im Tagesablauf mindestens verzehnfacht.
Zusätzlich strömen sekündlich neue Informationen in uns hinein und dafür sind wir nicht gebaut. Also müssen wir schlau sein und die Technik nutzbringend einsetzen. Gleichzeitig haben wir auch die Aufgabe, unserem Biokörper Pausen zur Entwicklung und Beruhigung zu schenken.